Der Zucker trägt Chanel
Kolumne von DH Mafalda Philipp
Wer hat sie nicht vor Augen: die Patienten, die mit weit aufgerissenen Bambi Augen, aufrecht sitzend und mit ihrem überzeugendsten Gesichtsausdruck schauspielern: „NEIN, ich esse NIE Süsses. Ich ernähre mich NUR gesund!“ Die Tonlage dabei auf dem Grossgeschriebenem.
Zucker und dentale Karies hängen zusammen. Abfrage bei den PatientInnen nach Ihrem Allgemeinwissen bestätigt das Erhoffte so gut wie immer: Ja, ist doch klar.
So weit, so gut, denkt sich die Prophylaxe. Allerdings weiss ich auch, wie jeder aus dem Metier, wie ein allgemeines Nachfragen nach alltäglichem Süssem, schnell in ein langes Nachbohren übergehen kann, falls der Zahnteufel sich nicht gleich outet
Ich zähle Marken und Verhaltensweisen auf und fühle mich wie ein Werbespot in der Dauerschleife.
Es ist kein Zuckerschlecken, diese ganze Fragerei (vor allem, falls nicht die erste an dem Tag) und der kurze Blick auf die Uhr verrät wieviel Verspätung mich dieses Verhör, das zu nichts geführt hat, bereits gekostet hat. Es ist Zeit für das nächstgrössere Druckmittel: der Ernährungsfragebogen, aka letzte Chance, mit der Wahrheit rauszurücken.
Dem Ernährungsfragebogen entgeht nichts
Aus meiner Erfahrung haben die wenigsten PatientInnen wirklich Lust und Zeit dieses Formular auszufüllen und dann, ganz plötzlich aus dem Nichts, scheint der Erinnerungsblitz einzuschlagen:

«Warten sie: ach jetzt kommt es mir in den Sinn, ich esse jeden Tag ein Praline von …..» daraufhin wird ein berühmtes Zürcher Chocolatier Haus erwähnt. Ich kenne es, dieses Geschäft an der Bahnhofstrasse, dessen Verpackung zu jeder Hauseinrichtung und jedem Fashion Outfit passt. Einfach jeder weiss, das ist jetzt teuer, was ich mir in den Mund schiebe…
Und es ist voll mit Zucker!! Diese Tatsache scheint sämtliche Mea Culpa bei der Kariesdiagnose beim Zahnarzt zu verdrängen. Plötzlich wird der Zuckerkonsum nicht mehr als so schlimm angesehen. Keiner geht fromm danach gleich Zähneputzen, war ja schliesslich teure, gute Schokolade…
Sowas…
Auch teure Pralinen sind voller Zucker
Nicht jede Zahnarztpraxis hat das Privileg wie wir, eine Mitarbeiterin zu haben, die im Herzen auch Konditorin / Bäckerin ist. Da zaubert sie uns Unglaubliches für den Zvieri oder auch auf Auftrag für private Anlässe. Ausgerüstet mit ihren #lillys_cake_design Chanel Cupcakes mache ich mich auf den Weg zur Party von einer lieben Freundin. Die Gastgeberin, eine leidenschaftliche Chanel Bewunderin und so ziemlich alle ihrer weiblichen Gäste sind religiöse Non-Fett, Non-Zucker, Non-Kohlenhydrate Anhängerinnen. Die Kalorien Torpedos schafften es dennoch, versteckt in schwarz-weiss geziert, an sämtlichen Gewissensradaren vorbei. «Ist ja schliesslich Chanel», was ich da esse. Mein DH-Gen hatte ich zuhause gelassen und da ich keine Party-Spassbremse bin, unterlasse ich jegliche Aufklärung über das Kleingedruckte
Es ist mir ganz klar, dass nicht der Zucker allein zu Karies führt, sondern viele Mitfaktoren bestimmen ob es zu einem Einbruch des Zahnschmelzes kommt oder nicht. Mich fasziniert einfach immer wieder wie unser Bezug zum jeweiligen Verhalten und unsere Identifikation mit demselben dazu führen, dass wir uns eben so verhalten wie wir uns verhalten, trotz intensiver Prophylaxe.
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